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Du und das Teufelchen - Eine Begegnung 2. Teil


 

8. Begegnung - Geburt  

9. Begegnung - Yoga  

10. Begegnung - Wünsche  

11. Begegnung - Regen  

12. Begegnung - Zeit  

13. Begegnung - Blasphemie  

14. Begegnung - Wahrheit  



8. Begegnung - Geburt

Es gibt nichts Endgültiges im Leben, schießt es dir durch den Kopf, als Du das Teufelchen erblickst. Es räkelt sich auf der sonnigen Parkbank mit Blick auf die Entbindungsstation des städtischen Krankenhauses. In seinem Schoss liegt eine Art Papierrolle, an dem es herumnestelt. Du trittst näher, aber das Teufelchen würdigt dich keines Blickes. Stattdessen redet es mit sich selbst, gerade so laut, dass du seine Worte gut verstehen kannst. „Was nehme ich denn nur? Was könnte passen?“ brummt es und zupft an der Papierrolle herum. „He, die hast du doch da hinten im Multiplexkino geklaut, oder nicht?“ unterbrichst du seinen Monolog, aber das Teufelchen ignoriert deine Frage. „Ah, da habe ich was,“ ruft es beglückt. „Wie wäre es damit: ‚Im Westen nichts neues‘?“ Es schaut auf und linst dich erwartungsvoll an. „Ich hatte nicht vor ins Kino zu gehen,“ konterst du. „Deine Angebote waren schon mal origineller.“ Das Teufelchen schüttelt sein Köpfchen als wäre es fassungslos ob so viel Ignoranz. „Teufelchen sind manchmal unsympathisch, aber nicht dumm,“ erklärt es in sachlichem Ton. „Ich habe sehr wohl bemerkt wie sehr du das Leben liebst. Daher habe ich mich entschieden, dir ein Leben zu schenken.“ Wieder schaut es dich erwartungsvoll an. Es ist dir sofort klar, was das Teufelchen meint. Du wirfst einen flüchtigen Blick in Richtung Entbindungsstation. „Nicht doch,“ das Teufelchen wehrt deinen Gedanken mit erhobenen Händen ab. „Ich schenke dir kein Baby. Nicht irgendein Kind, sondern du wirst geboren. Du! Ich suche nur noch eine interessante Kulisse für dich, spannende Szenen, aufregende Geschichten. Es ist schließlich wichtig, wo, wann und wie man geboren wird.“ Wieder zupft das Teufelchen an seiner Rolle mit Eintrittskarten herum. „Hallo? Wieso geboren? Vielleicht hast du es noch nicht bemerkt, ich stehe hier vor dir, ein Mensch aus Fleisch und Blut. Ich lebe. Es ist zwar schon etwas her, aber ich bin schon geboren!“ Das Teufelchen grinst sein listiges Darauf-habe-ich-gewartet-Teufelchengrinsen. Dir ist bewusst, dass alles andere nur ein Vorspiel gewesen ist. „Oho, du lebst also,“ höhnt es. „Woher willst du das denn so genau wissen?“ Diese Frage kommt dir nun wirklich ziemlich dämlich vor. Von wegen nicht dumm, denkst du. Wenn es irgendetwas gibt, dessen du dir sicher sein kannst, dann ist es doch wohl der Umstand, dass du hier bist und diese skurrile Szene erlebst. „Nun, ich kann dich sehr deutlich sehen. Vor mir sitzt ein ziemlich hässliches, verdrecktes Teufelchen mit dümmlichem Gesichtsausdruck. Wie sollte ich das erkennen, wenn ich nicht lebe?“ Das Teufelchen scheint deine Provokation zu überhören, verzieht keine Miene und pariert trocken: „Das ist kein Argument. In wenigen Stunden ist es dunkel und du siehst nichts mehr, oder fast nichts. Bist du dann Tod? Sehen ist keine Voraussetzung für Leben und auch kein Beweis.“ Nun ist es wieder soweit, das Teufelchen beginnt dich zu ärgern. Warum lässt du dich nur immer wieder auf solche Gespräche ein. „Aber ich kann jetzt in diesem Moment dein blödes Geschwätz hören!“ knurrst du das Teufelchen an. Das Teufelchen reagiert nicht. Es schweigt. Es schweigt aufdringlich laut. „Na gut,“ ergänzt du bissig. „Ich kann auch deinen ekeligen Schwefelgestank riechen. Und ich spüre meinen steigenden Zorn auf dich überdeutlich.“ Das Teufelchen gähnt demonstrativ, ohne sich die Hand vor den Mund zu halten. „Du langweilst,“ sagt es gedehnt. „Wie kannst du dich mit etwas begründen, das sich so schnell ändert?“ Das Teufelchen beginnt wieder in seinen Zettelchen zu blättern. „Ah, da habe ich wieder was für dich. Das ist gut: ‚Apokalypse now‘“. Die Dramaturgie der teuflischen Begegnung scheint sich wieder zu ihrem Höhepunkt hoch zu schwingen. Du merkst wie das Adrenalin in dir brodelt. „Apokalypse,“ keuchst du. „Die kannst du haben. Dann spürst du, wie ich lebe!“ Mit einem großen Satz springst du in Richtung Parkbank. Doch als du das Teufelchen packen möchtest, ist es samt Papierrolle verschwunden. Die Parkbank vor dir ist leer. Hilflos stehst du da und dein Ärger schlägt langsam in Ratlosigkeit um. Das Teufelchen ist zwar verschwunden, aber das von ihm aufgeworfene Problem ist es noch nicht. Seine Frage hallt in dir nach. Woran erkennst du, dass du lebst? Worin zeigt sich dein bewusstes Sein? Nicht im Sehen von Irgendetwas, nicht im Hören, nicht im Riechen und auch nicht im Spüren. Darin hatte das Teufelchen ja recht. Alle diese Wahrnehmungen sind austauschbar. Und sie wechseln in jedem Augenblick. Aber deine Anwesenheit ist nicht austauschbar, dessen bist du dir sicher. Aber was bedeutet es überhaupt, anwesend zu sein? Wird Anwesenheit geboren? Wenn nicht, was wird dann tatsächlich geboren? Und noch ein weiterer Gedanke stiehlt sich in dein Bewusstsein, den du allzu gerne wegwischen würdest: Wenn du als anwesendes Sein mit den wechselnden Ereignissen, mit der Geschichte, die du wahrnimmst, im Grund nichts zu tun hast, dann waren ja die Anspielungen des Teufelchens mit den Kinofilmen gar nicht so blöd und damit umso teuflischer. Missmutig stehst du vor der Parkbank und schaust auf die leere Stelle, wo vor wenigen Augenblicken noch das Teufelchen gesessen hat. Plötzlich entdeckst du einen kleinen zerknitterten Papierzettel, der vor der Parkbank im Dreck liegt. Du bückst dich und hebst ihn auf. Es ist eine schmutzige Eintrittskarte ins Multiplexkino. Du streichst sie glatt und liest den in dicken schwarzen Buchstaben aufgedruckten Filmtitel: ‚Du und das Teufelchen – eine Begegnung‘.


9. Begegnung - Yoga

Wie immer am Freitagabend befindest du dich im Yogastudio und praktizierst gerade den siebten Sonnengruß. Mit einem Mal überkommt dich ein verdächtiges Gefühl. Vorsichtig lugst du nach links und nach rechts. Und tatsächlich, dein Gefühl hat dich nicht getrogen. Auf der Matte neben dir, dort wo vor einem Moment noch eine Yogaschönheit demonstrativ biegsam ihre Hüften drehte, turnt nun eine dir wohlbekannte Gestalt. Mit großer Geste schiebt es gerade seinen rattenartigen Körper in den herabschauenden Hund, seinen Schwanz wie eine Antenne senkrecht in die Höhe gestreckt. „Was machst du hier?“ zischt du das Teufelchen mit zusammengebissenen Zähnen im Flüsterton an. Das Teufelchen scheint seinen Auftritt zu genießen. Es dreht seinen Bauch zu dir und streckt dabei einen Arm und ein Bein weit in die Luft. Um es besser sehen zu können, machst du ihm die Übung spiegelverkehrt nach. Das Teufelchen hat die Augen genussvoll geschlossen. „He“, wiederholst du leise. „Was machst du hier?“ Vorsichtig schielst du zur Yogalehrerin, die offenbar noch nichts von der Situation mitbekommen hat. „Ich habe nachgedacht,“ antwortet das Teufelchen mit betont lauter Stimme, ohne auch nur ansatzweise auf dein Flüstern einzugehen. „Ich gebe mir solche Mühe mit dir, aber es scheint nichts zu nützen. Wenn du willst, dann ist das heute unsere letzte Begegnung. Ich verschwinde und komme definitiv nie wieder. Abschied. Ende. Aus.“ Du hast mit allen möglichen Boshaftigkeiten gerechnet, aber nicht mit einer solchen Offerte. Noch immer stützt du dich nur auf einer Hand und einem Fuß. Doch langsam verlässt dich die Kraft. Die Glieder beginnen zu zittern. Dem Teufelchen dagegen scheint die Haltung keinerlei Anstrengung abzuverlangen. „Können wir das ein anderes Mal besprechen?“ Du hältst die Stimme immer noch gesenkt und kontrollierst dabei die anderen Kursteilnehmer. Diese biegen sich immer noch im Sonnengruß. Immerhin scheinen sie vom Teufelchen keine Notiz zu nehmen. „Wieso? Was hast du?“ fragt das Teufelchen mit gespielt naivem Ton und so laut als wolle es den ganzen Saal unterhalten. „Warum möchtest du nicht mit mir reden? Liegt das an der Situation hier? Ach so, du hast Angst dich zu blamieren. Du findest ein Gespräch mit mir peinlich.“ Das Teufelchen streckt sich weiter nach oben, hebt auch noch sein zweites Beinchen, so dass es einem Akrobaten gleich nur noch auf einer Hand abgestützt balanciert. Dir dagegen versagen die Kräfte und plumpst auf die Matte. „Nein“, keuchst du außer Atem. Es fallen dir aber keine Argumente ein. „Natürlich!“ widerspricht das Teufelchen. „Du hast Angst! Angst um deinen guten Ruf. Du hast Angst davor, dass du hier keine Anerkennung, kein Lebensglück mehr findest.“ Das Teufelchen zwinkert dir kopfüber von unten her zu. „Quatsch,“ versuchst du zu kontern. „Ich möchte nur Unglück vermeiden!“ „Das ist dasselbe,“ erklärt das Teufelchen. Das Gespräch ist offensichtlich dort angekommen, wo es das Teufelchen gerne haben möchte. Mit belehrendem Ton fügt es hinzu: „Die Suche nach Glück erfolgt immer aus Angst vor dem Unglück! Das kannst du mir glauben, Teufelchen kennen sich mit Unglück aus.“ Dabei löst es elegant seine Haltung auf und lässt sich dir gegenüber auf seiner Matte nieder. „Aber dein Problem,“ fügt es hinzu und schlägt die Beine in den Lotossitz. „Was ist nun? Möchtest du, dass ich endgültig verschwinde? Das Angebot kannst du nun wirklich nicht abschlagen. Das wäre ja völlig absurd. Die ganze Zeit schämst du dich für mich, beschimpfst mich oder schlägst auf mich ein. Jetzt mache ich das erlösende Angebot und du schweigst. Du schweigst, weil dir dein guter Ruf wichtiger ist als dein Seelenheil. Du bist mir vielleicht ein Früchtchen.“ Mit diesen Worten beginnt das Teufelchen auf seiner Matte immer stärker auf und ab zu hüpfen. Es sieht dabei unbeholfen und etwas komisch aus. Doch dann hebt es plötzlich ab und schwebt, noch immer mit verschränkten Beinen, in Richtung Decke. Triumphierend feixt es auf dich herab. Doch als es mit dem Kopf die Decke berührt, platzt das Teufelchen wie ein Luftballon in tausend Stücke und ist verschwunden. Stattdessen sitzt auf der Matte neben dir wieder die Yogaschönheit und schaut betreten zu dir herüber. Alle anderen Kursteilnehmer haben ebenfalls ihre Übungen abgebrochen und beäugen dich peinlich berührt mit deutlichem Unverständnis. „Schönen Sonnengruß,“ stotterst du verlegen und versteckst dein Gesicht hinter den Händen.


10. Begegnung - Wünsche

Wie jedes Jahr einmal sitzt du am Schreibtisch und sortierst missmutig deine Steuerunterlagen. Die Sonne ist bereits untergegangen, nur das Licht der gesenkten Schreibtischlampe markiert einen ungeordneten Stapel von Papier und Briefumschlägen. Dein Laptop surrt leise vor sich hin. Als du aufschaust, entdeckst du das Teufelchen, wie es im Halbdunkeln dir genau gegenübersitzt. Es trägt eine Halbbrille, durch die es konzentriert ein Computer-Tablet fixiert, das vor ihm auf den Knien kippelt. Auf dem Bildschirm erkennst du undeutlich eine Tabelle, die mit allerlei Worten gefüllt ist. „Willst du mich nachäffen?“ fragst du genervt. „Du kannst gerne meine Steuer erledigen“. Das Teufelchen blickt nicht auf, sondern hackt mit seinen dicken Fingerchen auf dem Bildschirm herum. Mehr beiläufig brummt es: „Ich habe dir alles Erdenkliche angeboten: von der Freiheit im Denken, über die Unsterblichkeit bis hin zur ewigen Glückseligkeit. Du hast alles abgelehnt. Dann habe ich dir angeboten, kein Angebot mehr zu machen. Das hast du auch abgelehnt. Teufelchen neigen nicht zur Ratlosigkeit, aber…“ das Teufelchen zuckt kraftlos mit den Achseln. „Ich bin ratlos.“ Es schiebt seine Brille zur Nasenspitze und schielt dich darüber hinweg mit sorgenvollem Blick an. Aber du lässt dich nicht einschüchtern. Um seinem Blick zu entkommen, blätterst du geschäftig in deinen Papieren und entgegnest in ähnlich unbeeindrucktem Tonfall: „Das nehme ich dir nicht ab. Wie ich dich kenne hast du immer ein Vorschlag.“ Das Teufelchen lehnt sich zurück, faltet seine Hände auf dem Bauch und betrachtet dich lange. Hinter der Schreibtischlampe kannst du sein Gesicht kaum erkennen. „Ja gut,“ sagt es schließlich gedehnt. „Ich werde dir ein allerletztes Angebot machen. Ich verrate es dir aber erst, wenn du zugestimmt hast. Also erst die Zustimmung, dann das Angebot. Lehnst du ab, bin ich für immer weg. Kein Teufelchen mehr, keine Angebote mehr.“ Du siehst ein Feuerzeug aufblitzen und im nächsten Moment wabern bläuliche Rauchschwaden über den Schreibtisch. Du lehnst dich zur Seite, um das Teufelchen besser sehen zu können. Es hat jetzt einen Zigarillo im Mundwinkel und mustert dich mit einem unbestimmbaren Pokerface. Du verkneifst dir jeglichen Kommentar. Dir ist klar, dass hier wieder ein typisch teuflisches Spiel im Gange ist. Niemand würde jemals auf so ein Angebot eingehen. Das weiß auch das Teufelchen, bist du dir sicher. Wenn es einen solchen Vorschlag macht, dann fordert es eine Ablehnung regelrecht heraus. Es will dich also wirklich verlassen. Nie hättest du für möglich gehalten, dass dir diese Aussicht tatsächlich leidtun könnte. Aber so ist es nun. Es tut dir leid. Du möchtest nicht, dass das Teufelchen für immer verschwindet. Und was dann geschieht ist dir selbst ein Rätzel. Du lehnst dich ebenfalls zurück, betrachtest einige Zeit die Silhouette des Teufelchens durch das Licht der Lampe und grummelst dann tonlos: „Einverstanden“. Das Teufelchen rührt sich zunächst nicht. Dann siehst du wie sich seine rechte Augenbraue kurz hebt und während es sich wieder nach vorne zu seinem Tablet beugt, brummt es ebenfalls tonlos: „Na gut,“ Das Teufelchen beginnt wieder betriebsam mit seinem Computer zu hantieren. „Dann wollen wir mal,“ kommentiert es im Beamtenton. „Ich habe hier eine Aufstellung von allen deinen Wünschen.“ Du spürst wie ein unbestimmtes Unbehagen in dir emporsteigt. „Woher willst du die denn wissen?“ fragst du beunruhigt. „Teufelchen kennen immer alle Wünsche,“ erklärt es geduldig. „Das ist ihr Job. Wünsche sind die höllische Währung.“ Es zieht genüsslich an seinem Zigarillo. „Ja was haben wir denn da: Steuerrückzahlung.“ Es tippt wieder auf den Bildschirm. „Lö-schen“, skandiert es dabei. „Das ist kein Wunsch. Das ist ein Bedürfnis.“ Du blickst das Teufelchen fragend an. „Bedürfnisse sind keine Wünsche. Für Bedürfnisse sind nicht die Teufel, sondern die Götter zuständig,“ erklärt es mit zunehmender Ungeduld. „Ah, da haben wir einen coolen Wunsch: Sex auf dem Mond. Sehr gut.“ „Moment,“ unterbrichst du. „So einen Unsinn habe ich mir sicher nicht gewünscht.“ Das Teufelchen legt seine Stirn in Falten, spitzt seine Lippen und starrt auf den Bildschirm. „Tatsächlich, ein Fehler, da ist ein fremder Wunsch reingerutscht. Der ist nicht von dir. Der ist von mir…“ Das Teufelchen grinst, lehnt sich wieder zurück und mustert dich aufmerksam. „Gut, ich werde dafür sorgen, dass alle diese Wünsche wahr werden. Nein, sagen wir, fast alle. Das war mein Angebot. Ich gratuliere, dass du es angenommen hast.“ Die letzten Worte spricht es fast andächtig. Dann kommt auf einmal Leben in das Teufelchen. Es greift neben sich auf den Boden, knallt eine volle Flasche Vodka auf den Schreibtisch und setzt zwei Schnapsgläser daneben. „Das müssen wir feiern!“ krakelt es lauthals und schenkt die Gläser randvoll ein. Dann greift es aber nicht zum Glas, sondern setzt die Flasche an den Mund und trinkt sie in einem Zug halbleer. Du beobachtest die skurrile Szene zunehmend teilnahmslos. Die Wirkung des Vodkas lässt nicht lange auf sich warten. „Und nun noch zu den Neb…, zu den Neb…, zu den Nebelwirrungen.“ lallt das Teufelchen. Du atmest tief durch. Das hat ja so kommen müssen, denkst du. „Die Wüüühünsche werden erfühüllt,“ das Teufelchen beginnt kindisch zu kichern. „Abel sie machen nicht glühück… glühücklich. Wüüühünsche machen nie glühücklich…“ Es versucht aufzustehen, stolpert aber über seinen Schwanz, greift im Sturz nach dem Tablet und dort, wo es zu Boden fällt, verpufft es in einer Rauchwolke. Zurück bleiben eine halb leere Flasche Vodka und ein Glas. Das zweite Glas ist verschwunden.


11. Begegnung - Regen

Wie betäubt starrst du auf den Bildschirm deines Telefons. Mehrmals liest du die kurze Botschaft. Dann schiebst du das Gerät gedankenverloren in deine Tasche zurück und läufst weiter. Mit gesenktem Kopf schiebst du dich durch das Gedränge der Stadt. Es beginnt sacht zu regnen aber du nimmst keine Notiz davon. Auch merkst du lange nicht, wie dich eine graue Gestaltet begleitet, die mühsam versucht Schritt zu halten. Als du sie im Augenwinkel entdeckst, knurrst du ohne hinzuschauen: „Super gemacht! Große Klasse! Schon gleich der erste Wunsch ging in die Hose. Da schließt man einen Pakt mit dem Teufel und wieder nichts… Du bist mir ein toller Freund!“ Das Teufelchen scheinen deine Worte tatsächlich getroffen zu haben. Es läuft etwas langsamer, holt dann aber wieder auf und verkündet mit aufmunternder Stimme: „Dadurch bleiben dir größere Enttäuschungen erspart.“ Das ist allerdings das letzte, was du gerade hören möchtest. „Pass mal auf,“ entgegnest du mit warnendem Tonfall. „Deine Weisheiten kannst du dir sparen. Manchmal ist es weniger schlimm etwas zu verlieren, als es zu begehren und niemals zu besitzen. Das solltest du eigentlich wissen in deinem Teufelshirn.“ Das Teufelchen schweigt. Betreten schleicht es neben dir her. Der Regen wird stärker. Kalter Wind treibt dir die Tropfen ins Gesicht. Schließlich beginnt das Teufelchen wieder zu sprechen. Seine Stimme klingt leise, ehrlich um Glaubwürdigkeit bemüht. „In der Schule haben wir gelernt, wie man Unglück bereitet. Ich war ein Musterschüler. Aber die Sache stellte sich als nicht so einfach heraus. Das Unglück des einen ist nämlich das Glück des anderen. Einmal habe ich einen Landstrich mit einer exzellenten Dürre überzogen. Die Landwirte waren verzweifelt. Die Touristen fanden das großartig und der Fremdenverkehr fluorierte. Irgendwann bekamen wir von der ISDA die Anweisung, statt Unglück zu bereiten, Wünsche zu erfüllen. Das Ergebnis ist allerdings dasselbe.“ „ISDA?“ fragst du säuerlich während sich neben deiner Frustration auch der übliche Ärger breit macht. „International Small Devil Association“, verkündet das Teufelchen stolz. „So etwas gibt es doch überhaupt nicht,“ schmetterst du zurück. Offensichtlich versucht das Teufelchen deine verletzten Gefühle mit unsinnigen Witzen zu verhöhnen. „Stimmt,“ gibt das Teufelchen kleinlaut zu. „Klingt aber gut.“ Jetzt kommst du so richtig in Fahrt. Du bleibst abrupt stehen und rufst dem Teufelchen verbittert hinterher: „Außerdem gibt es auch Unglück, das niemand etwas nützt!“ Das Teufelchen macht auf dem Absatz kehrt und steht dir nun vis-à-vis. Sein Gesicht sieht traurig aus. Der Regen läuft über seine Wangen. Schwarzer Ruß tropft beidseitig auf den Boden. „Das ist wahr,“ sagt es fast kläglich. „Aber für diese Projekte sind die großen Teufel zuständig. Wir kleinen Teufel bekommen davon nichts ab.“ „Weißt du was ich glaube?“ Du sprichst jetzt mit milderer Stimme, um deiner Aussage Nachdruck zu verleihen. „Die Welt funktioniert einfach wie sie funktioniert. Alles hängt mit allem zusammen. Ihr Teufelchen könnt daran rein gar nichts ändern. Teufelchen braucht es nicht. Und weißt du was? Ich setz noch einen drauf: Teufelchen gibt es gar nicht.“ Du blickst dem Teufelchen eindringlich in seine schwarzen Augen und skandierst: „Es - gibt - dich - nicht!“ Das Teufelchen senkt den Blick und nickt unterwürfig. „Ja stimmt,“ bestätigt es beschämt. „Du hast recht mit deiner Schlussfolgerung.“ Dann plötzlich hebt es wieder den Kopf und mit erstaunlich klarem Gesichtsausdruck kontert es deinen Blick. „Aber du solltest noch eines bedenken,“ merkt es an und seine Worte haben einen schelmischen Unterton: „Dich, du göttliches Wesen, gibt es auch nicht.“ Dann neigt das Teufelchen seinen Kopf in den Nacken. Es lässt den Regenguss genüsslich über sein Gesicht strömen und sein Körper zerrinnt in der Regendusche wie ein Kreidebild auf dem Asphalt.         


12. Begegnung - Zeit

Nun ist es nichts neues, dass sich das Teufelchen scheinbar für immer verabschiedet und dann unerwartet wieder auf der Bildfläche auftaucht. Doch diesmal scheint es ernst gemacht zu haben. Lange bist du ihm nicht mehr begegnet. Manchmal, wenn du an den verschiedenen Treffpunkten vorbeischlenderst, überkommt dich fast so etwas wie Wehmut. Du schaust nochmal genau hin, an die Hauswand, auf die Parkbank. Aber da ist kein Teufelchen. Und du weißt, dass dies nur konsequent ist. Schließlich warst du es, der verkündet hat, dass das Teufelchen gar nicht existiert. Wen solltest du also treffen? So vergehen Wochen. Und dann, als du nicht mehr damit rechnest, hockt es eines Tages auf der Gartenmauer, wo du es schon einmal getroffen hast. Diesmal sitzt es lässig auf der Mauerkante und lässt seine Beinchen zwanglos herunterbaumeln. „He, nicht erschrecken, Sportsfreund,“ trällert es dir gut gelaunt entgegen. „Du hast wohl dein Teufelchen bereits abgeschrieben.“ Du bleibst stehen und stützt deine Hände in die Hüfte. Du kannst nicht verbergen, dass du glücklich überrascht bist. „Weißt du,“ fährt das Teufelchen quirlig fort. „Ich bin dir noch was schuldig. Ich war nicht immer nett zu dir und das mit den Wünschen, na ja, ist mir fast unangenehm. Aber, schau, ich bin halt ein Teufelchen. So what?“ Du neigst deinen Kopf zur Seite. „Schon klar,“ sagst du freundlich mit einem Schuss Ironie. „Daran wird sich ja wohl nichts ändern. Und die Heuchelei mit der Schuld kannst du dir auch sparen.“ Das Teufelchen grinst dich in seiner bekannten und mittlerweile fast vertrauten Art an. „Du unterschätzt mich immer noch,“ resümiert es. „Aber es gibt etwas, mit dem ich dein Leben wirklich verbessern kann.“ Es faltet die Hände vor der Brust und ergänzt gütig: „Als Wiedergutmachung, sozusagen.“ Du kneifst ein Auge zu und schaust das Teufelchen mit dem anderen schief an. „Pass auf,“ fährt es unbekümmert fort. „Was bereitet den meisten Menschen und auch dir die größten Sorgen?“ „Das musst du ja wissen. Mit Sorgen kennen sich Teufel wohl am besten aus,“ antwortest du flapsig. „Richtig,“ bestätigt das Teufelchen, ohne auf deine Ironie einzugehen. „An Leid, Chaos und Unglück ist aber nicht der Teufel, sondern die Zeit Schuld. Denn die größten Sorgen ergeben sich durch die Beschäftigung der Menschen mit der Vergangenheit und durch ihre Mutmaßungen über die Zukunft. Also schaffe ich beides für dich ab und, he, was übrig bleibt ist richtig easy.“ Dir ist nicht ganz klar, was das Teufelchen genau meint, aber es hört sich wieder typisch teuflisch an. „Du nimmst mir die Vergangenheit und Zukunft?“ hackst du misstrauisch nach. „Und was ist mit der Gegenwart?“ Das Teufelchen schüttelt den Kopf. „Die Gegenwart ist keine Zeit, sondern ein Zustand!“ betont es mit belehrender Stimme und dreht geduldig seine Daumen. Das hört sich ziemlich verrückt an, denkst du. Wie sollte man denn die Zeit abschaffen? Und was bliebe dann tatsächlich übrig? Aber andererseits, fragst du dich, was gibt es zu verlieren? Dein Leben ist gerade eine Abfolge von Frustrationen und weder die Vergangenheit noch die Zukunft scheinen dir gerade wirklich lohnend. „Weißt du was?“ fragst du schließlich leicht resigniert. „Es ist mir egal. Mach einfach! Schaff die Zeit ab. Ich bin gespannt was dann passiert.“ Das Teufelchen stößt einen überraschten Pfiff aus. Sein Schwanz wedelt wie bei einem Hund aufgeregt hin und her. „Gut,“ freut es sich. „Langsam finden wir zusammen. Dann werde ich jetzt die Zeit aus dieser Welt lösen, in meine Hölle transferieren und dort sicher verstauen. Und, los geht es.“ Das Teufelchen schnippt mit dem Finger und es passiert – nichts. Du schaust dich verwundert um. Alles scheint dir noch, wie es vor einem Augenblick gewesen ist. „Hallo? Was ist denn nun?“ möchtest du verwundert wissen. „Wieso?“ antwortet das Teufelchen erstaunt. „Hat doch super funktioniert. Vergangenheit und Zukunft sind weg, futsch. Schau dich um. Siehst du irgendetwas, das du als Vergangenheit bezeichnen könntest? Entdeckst du irgendwo Zukunft? Ist die Straße dort drüben etwas anderes als Gegenwart? Sind die Wolken am Himmel nicht genau jetzt da? Bin ich, dein Teufelchen…“ Das Teufelchen unterbricht sich. Es hält sich eine Hand an sein linkes Ohr, als müsste es einen Kopfhörer abdecken. Dabei nickt es besorgt. „Du musst mich entschuldigen. Ich habe wohl eben einen schweren Fehler gemacht. In meiner Hölle ist die Hölle los.“ Und noch bevor du irgendetwas entgegnen kannst, ist das Teufelchen verschwunden. Du stützt dich auf dem Mauerrand ab, wo eben noch das Teufelchen gewesen ist, und schaust dahinter in den verwilderten Garten. Auch dort ist nirgendwo Vergangenheit, auch dort ist nirgendwo Zukunft. Und auch der Gedanke an das Teufelchen geschieht dir jetzt in diesem Moment, der kein Moment ist, sondern die Ewigkeit. Ein feines Lächeln macht sich in dir breit. Was für ein verrücktes Kerlchen, denkst du voll Sympathie und schnippst ein Steinchen von der Mauer in ins kniehohe Gras.


13. Begegnung - Blasphemie

Du sitzt auf einer Kirchenbank im Dom, lehnst dich an die zu niedrige Lehne und betrachtest das Farbenspiel der Lichtstrahlen, die durch die bunten Scheiben ins Halbdunkel fallen. Kaum hast du dich Niedergelassen, da bemerkst du auch schon einen grauen Schatten direkt neben dir. „Hier hätte ich mit dir nun wirklich nicht gerechnet,“ sagst du halblaut und schielst zu deinem Banknachbarn. Zu deinem Erstaunen antwortet auch das Teufelchen mit gesenkter Stimme als würde es tatsächlich einen heiligen Ort achten. „Ich mag diesen schwefeligen Geruch… Aber Gegenfrage: Was machst du hier? Beten?“ Die Frage ist dir etwas unangenehm, also weichst du aus: „Ich bin müde. Und hier ist es schön kühl. Eine richtige Erholung bei der Hitze…“ Das Teufelchen unterbricht dich mit ungeduldiger Stimme: „Schon gut, lass uns über Gott reden. Ich wette mit Dir, dass es mir mit nur einer Frage gelingt, Dich der Blasphemie zu überführen.“ Du brauchst einige Sekunden, um den rhetorischen Überfall zu verdauen. „Du meinst Gotteslästerung?“ vergewisserst du dich. „Das ist doch wohl eher dein Aufgabenfeld, oder?“ „Stimmt,“ bestätigt das Teufelchen trocken. „Aber für mich ist das langweilig. Ich schmore schon in der Hölle.“ „Und um was sollen wir wetten?“ willst du wissen. „Um meine Seele?“ „Ach, nein danke.“ Das Teufelchen hat sich von dir abgewandt. Es betrachtet offensichtlich die in Stein gemeißelten Bibelszenen am Seitenaltar, gewundene Körper, zum Himmel gereckte Hände, schmerzverzerrte Gesichter. „Wie wäre es mit einer Flasche Rotwein, Französisch, Spätburgunder?“ Sein Blick haftet noch immer an den heiligen Szenen. „Zwei Flaschen,“ verbessert es sich mit resigniertem Tonfall. Kirche, Gott und Rotwein, das ist ja schon genug Blasphemie, denkst du. Aber ein Teufel kann sich das ja leisten. „Also gut,“ willigst du entschlossen ein. „Überführe mich der Blasphemie!“ Das Teufelchen dreht sich wieder nach vorne und du erahnst ein zufriedenes Glitzern in seinen Augen. „Nur kurz diese eine Frage: Du hältst dich also für Gott, oder?“ Die Frage klingt fast beiläufig. Sofort ist dir klar, worauf das Teufelchen hinaus will und du entgegnest entrüstet: „Natürlich nicht. Was denkst du von mir? Ich bin doch nicht größenwahnsinnig. Vielen Dank übrigens für den Rotwein!“ „Der Dank ist ganz meinerseits.“ Das Teufelchen kostet die Situation voll aus und nach einer gewichtigen Pause verkündet es: „Soeben habe ich dich der Blasphemie überführt.“ „Unsinn,“ widersprichst du überzeugt. „Ich habe doch nicht behauptet, Gott zu sein. Das kommt mir gar nicht in den Sinn.“ „Eben!“ Das Teufelchen kann einen gewissen Triumph nicht verbergen. Es dreht sich zu dir und mit der Gestik eines Gelehrten beginnt es zu dozieren: „Wenn du bestreitest Gott zu sein, dann behauptetest du gleichzeitig, etwas anderes zu sein als Gott, nicht wahr? Und wenn du etwas anderes bist als Gott, dann ist Gott nicht mehr absolut. Er ist dann nur noch einer von zumindest zweien, du und er. Du siehst dich als getrenntes Gegenüber von Gott. Aber als Gegenüber setzt du dich mit ihm auf eine Ebene. Das bedeutet, dass du zwar vorgibst, nicht Gott zu sein, aber im selben Moment setzt du dich mit Gott gleich. He, das ist Blasphemie.“ Im ersten Moment kommt dir die Argumentation merkwürdig verdreht vor. Aber dann dämmert dir langsam die innere Logik der Aussage. „Das sagt mir gerade der Rechte,“ versuchst du dich zu retten. „Ist das nicht genau das, was Teufel ureigentlich tun?“ „Eben genau.“ Das Teufelchen nickt bestätigend. „Teufel behaupten nicht nur, von Gott getrennt zu sein. Sie handeln auch danach. Das ist ja gerade das diabolische. Endlich hast du das Prinzip verstanden. Wann gibt’s den Rotwein?“ Du betrachtest das Teufelchen unentschlossen. Eine seltsame Frage kommt dir in den Sinn. „Aber, sie sind nicht wirklich von Gott getrennt, die Teufel mein ich, oder?“ Mit dieser Frage hast du das Teufelchen überrascht. Zum ersten Mal siehst du es für eine kurze Zeit sprachlos. Doch dann kontert es listig: „Dazu müsste es Teufel ja erst mal geben. Siehst du einen?“ Du siehst keinen. Wo eben noch das Teufelchen gesessen ist, breitet sich neben dir die leere Kirchenbank aus. An ihrem Ende befindet sich der Seitenaltar. Die Steinfiguren sehen bedauernswert aus, denkst du.


14. Begegnung - Wahrheit

Der Himmel vor deinem Fenster färbt sich langsam rot. Du sitzt am Schreibtisch, presst die Rückseite des Kugelschreibers an die Lippen und schaust hinaus auf die zerfledderten Wolkenfetzen. Vor dir liegen einige Notizzettel mit Stichworten und Halbsätzen. Du schließt die Augen und versuchst dir die Ereignisse der letzten Zeit ins Gedächtnis zurückzurufen. Als du die Augen öffnest, steht das Teufelchen neben deinem Tisch und äugt neugierig auf deine Notizen. „Schreibst du über das Teufelchen?“ fragt es sichtlich angetan. „Das ist eine wirklich gute Idee!“ Erschrocken verdeckst du deine Notizen mit dem Arm. „Blödsinn,“ verteidigst du dich. „Das sind nur ein paar, sagen wir, Erkenntnisse.“ Du faltest die Seiten in der Mitte zusammen und klappst sie aufeinander. „Aha, du schreibst also ein Buch über die Einsichten, zu denen ich dir verholfen habe.“ Das Teufelchen mimt einen mitleidvollen Gesichtsausdruck. „Spar dir die Mühe. Das will niemand lesen. Die Leute wollen Krimis, Mord und Totschlag oder wenigstens Comedy. Sie wollen Geschichten hören. Sie wollen unterhalten sein. Sie wollen keine Wahrheiten lesen. Niemand will Wahrheiten wissen. Das ist die Wahrheit! He, wenn das nicht so wäre, wäre ich arbeitslos.“ „Da bin ich mir nicht sicher,“ verteidigst du deine literarischen Versuche. „Siehst du, du auch nicht,“ seufzt das Teufelchen und verdreht die Augen. „Ich mach dir ein Angebot: Ich sage dir hier und jetzt die ganze Wahrheit, aber sie wird dir nicht gefallen. Wahrheiten gefallen nicht, sie sind einfach nur wahr.“ Das Teufelchen wackelt gemächlich zum Fenster und schaut hinaus. Du siehst nur seinen dunklen Rücken im Gegenlicht. „Ich bin einiges gewohnt. Leg los,“ forderst du das Teufelchen auf. Es will sich bei dir keine Angst vor der vermeintlichen Wahrheit einstellen. „Also gut,“ brummt das Teufelchen während es immer noch vor dem Fenster steht. „Stell dir ein Schauspiel vor, sagen wir ein Kriminalstück. Kurz bevor der Mörder festgenommen wird, tritt auf einmal der Kommissar zur Seite und verkündet, dass er ein Schauspieler sei und auf die ganze Spurensuche überhaupt keine Lust hat. Ich sage dir, der Typ ist seine Gage los!“ „Was faselst du da?“ fragst du irritiert. „Ich verstehe kein Wort.“ Das Teufelchen dreht sich zu dir um und lehnt nun lässig mit dem Rücken an der Fensterbank. Mit leicht genervtem Ton fährt es fort: „He, die Leute spielen alle ihren Film. Weißt du was los wäre, wenn sie nicht mehr mitmachen? Wenn sie sich plötzlich um Wahrheit kümmern? Aber darum geht es eigentlich gar nicht. Du und ich, wir beide, wir sind auch nur zwei Figürchen in einer mittelmäßig originellen anekdotenhaften Geschichte. Wir sind nur Druckerschwärze auf dem Papier. Du denkst, du erlebst ein Leben. Pustekuchen: du erlebst gar nichts, du wirst erlebt. Das ist die Wahrheit.“ Du schaust das Teufelchen nachdenklich an. Die Erklärung will dich nicht so richtig überzeugen. Besonders originell findest du sie auch nicht. Im Übrigen hast du das Gedankenspiel schon mal irgendwo gehört. „Die Wahrheit ist auch nicht originell,“ unterbricht das Teufelchen deine Überlegungen lapidar. Es scheint offensichtlich mehr und mehr in der Lage zu sein, in deine Gedanken zu lesen. „Wenn das so wäre, wenn du mit deiner Marionettentheorie Recht hast, warum reden wir beide dann hier über Wahrheit?“ willst du wissen. Das Teufelchen zuckt mit den Achseln und starrt mit herunter gezogenen Mundwinkeln vor sich auf den Boden. „Ach weißt du“, sagt es in vertraulichem Ton. „Manche Filme sind so verkorkst, dass die Schauspieler aufgeben. Nimm es mir nicht krumm, aber unser Film ist so einer. Aber warum ich eigentlich hier bin…“ Das Teufelchen unterbricht sich und wendet den Blick erwartungsvoll in Richtung Küchentür. „Hast du den Rotwein?“ Du musst so lachen, dass selbst das Teufelchen leise glucksend zu kichern beginnt. Du reißt deine Notizzettel in mehrere Fetzen und lässt sie achtlos in den Papierkorb rutschen. Dann holst du den Wein. Und während du den Korken aus der Flasche ziehst, kommt dir der Gedanke, dass das Teufelchen diesmal länger bleiben könnte.  


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